Von dem Heilbronner Gymnasium hatte sich seit 1826 nach und nach eine königliche Realanstalt abgelöst, bei der auch eine Oberstufe, die „Oberrealschule“, entstand. Diese Schule erhielt 1889 zusammen mit der Gewerbe- und Fortbildungsschule ein eigenes Schulgebäude an der heutigen Bismarckstraße 10. Das wohl ab 1886 errichtete Gebäude wurde 1901 und 1914/15 wesentlich erweitert. Auf dem Haupttreppenhaus des 1889 übergebenen, ursprünglich zweigeschossigen Hauptflügels dieses Schulkomplexes wurde eine Dachplattform nachweislich für astronomische Beobachtungen eingerichtet. Zu diesem „Schulpanorama” sollten alle Schulen Zugang haben. Die Gymnasiumschronik von 1912 berichtet, dass Herr Professor Klein aus dem Ertrag astronomischer Vorträge 95 Mark zur Anschaffung astronomischer Lichtbilder und 142 Mark zur Anschaffung eines photographischen Apparates spendete. Am 19. März 1914 wurden 284 Mark zur Tilgung der Anschaffung eines Fernrohrs bereitgestellt.
Im Herbst 1908 kam Prof. Dr. Karl Wildermuth als Physik- und
Mathematiklehrer an die Oberrealschule und das Realgymnasium (OR &
RG). Diese Doppelanstalt war aus der bereits erwähnten königlichen
Realanstalt und aus einer nochmaligen Abspaltung vom Gymnasium
hervorgegangen. Um 1938 wurde die an Oberrealschule und Realgymnasium
eingeführte Koedukation wieder aufgehoben und die Schule zur
„Robert-Mayer-Oberschule für Jungen“, ab 1953 dann zum heute noch
bestehenden „Robert-Mayer-Gymnasium“.
Am 23. April 1914 wird im Gemeinderat der Stadt Heilbronn
angedeutet und am 25. Juni 1914 kundgetan, dass für die Einrichtung
einer Sternwarte Stiftungen in Aussicht seien und die Stadt Heilbronn
daher bei dem gerade im Bau befindlichen Flügel des OR & RG an der
Mönchseestraße entsprechende Vorkehrungen, wie verstärkte Mauern,
vorsehen möge. Dieser auf Wildermuth zurückgehende Stiftungsaufruf
gilt heute als Gründungsdatum der Sternwarte.
Wildermuth hatte mit der Robert-Mayer-Sternwarte eine
kombinierte Volks- und Schulsternwarte im Auge, wie auch aus Passagen
des Protokolls der Gemeinderatssitzung vom 8. Juni 1917 hervorgeht, in
denen es um die Leitung von Führungen und die Verwaltung der
Einrichtung geht. Allerdings hat der Gemeinderat die Stiftungen und
Bemühungen des Prof. Dr. Wildermuth nur „hocherfreut“ zur Kenntnis
genommen und die weiteren Beratungen seinem Verwaltungsausschuss sowie
dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Paul Göbel anheimgestellt. Die
Akten über diese Vorgänge sind am 4. Dezember 1944 verbrannt.
Der ursprüngliche Vorschlag von Wildermuth und dem
seinerzeitigen Rektor von OR & RG Rudolf Diez, einen fünfköpfigen
Verwaltungsrat für die Robert-Mayer-Sternwarte einzusetzen, wurde
vermutlich nicht realisiert.
Die Robert-Mayer-Sternwarte wurde faktisch von der Schule auf der sie
sich befindet, übernommen. Ein Betrieb als Volkssternwarte war so
jedoch nicht möglich. So war durch eine falsche Organisationsform das
Schicksal des großen Wurfs einer kombinierten Volks- und Schulsternwarte
in Heilbronn bis zum Verlust der wertvollen Gerätschaften in den
Wirren des Zweiten Weltkrieges nahezu vorherbestimmt.
Nachdem Wildermuth Heilbronn 1920 verlassen hatte, wurde die Sternwarte meist nur als Schulsternwarte genutzt. Lediglich Studienrat Hans Seitz bot zwischen 1929 und 1933 Vorträge und Führungen an. Er veröffentlichte auch astronomische Monatsberichte und gemeinsam mit Prof. Kuno Fladt ein in zwei Auflagen erschienenes Lehrbuch der Astronomie, sowie die „Methode und Praxis des Unterrichts in der Himmelskunde“. Seitz erfand und initiierte außerdem verschiedene astronomische Lehrmittel und Lehrfilme.
Die Sternwarte wurde bis in den Zweiten Weltkrieg hinein als Schulsternwarte genutzt, in den Nachkriegswirren wurden die Geräte jedoch zerschlagen und die Bibliothek auf Befehl des amerikanischen Militärverwalters vernichtet. Der Mönchseeflügel mit der Sternwarte gehört zu den wenigen Gebäuden in Heilbronn, die den Luftangriff vom Dezember 1944 und den Wiederaufbau überlebt haben.
Baulich bestand seit dem Winter 1914/15 alles außer dem Geräteraum, der
vor 1928 errichtet wurde. Wohl 1919 waren alle Geräte auf der
Sternwarte eingerichtet, mit Ausnahme einer zweiten Astrokamera, die
wohl 1928 installiert wurde. Damit stand in Heibronn eine der am besten
ausgerüsteten Schulsternwarten ihrer Zeit. Der seltene Drehbare
Sternenhohlglobus und ein älteres Teleskop wurden aus dem alten Bestand
in die Sternwarte übernommen.
Ein größerer Raum im dritten Stockwerk des Schulgebäudes war für die Astronomie vorgesehen und separat beheizbar.
Im Aufgangsraum zur Plattform, dem Turmzimmer, befand sich eine Rieffler-Pendeluhr mit Zeitschreiber. An ihrer Stelle ist nun eine weitere Uhr, die 1979 installiert wurde. Da heute Funkuhren genauere Zeitangaben liefern, ist sie mittlerweile nicht mehr in Betrieb.
Im Kuppelraum waren ein Zeiss-Refraktor von mindestens 10 cm
Öffnung und parallel dazu zwei Astrokameras gleicher Öffnung mit einem
Meter Brennweite und Plattenformaten von 9x12 sowie 13x18 cm
installiert. Der Refraktor könnte ein Fernrohr mit 13 cm
Objektivöffnung und 2,30 m Brennweite gewesen sein. Die zweite Kamera
wurde wahrscheinlich 1928 angebracht und belastete die Montierung zu
stark, so dass Fotografie kaum noch möglich war.
In dem Meridiankreishaus befand sich ein Meridiankreis mit vier
Zentimeter Öffnung und geknicktem Strahlengang zur Vermessung von
Sternpositionen.
Das Instrumentarium wurde durch eine Kamera für Sonnenaufnahmen von rund 12 cm Durchmesser und einen Spektrograph zum Hauptfernrohr ergänzt.
Welche Geräte für die Steinsockel für Schülerpraktika auf der Plattform vorhanden waren, ist unbekannt. Die Geräte der Sternwarte sollten um 1941 auf Empfehlung von Prof. Seitz auf die Privatsternwarte von Dr. Ernst Wecker nach Mainhardt ausgelagert werden. Sie wurden jedoch nur in den Keller des Schulhauses gebracht. Nach Kriegsende wurden sie von ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern zerschlagen, um das Metall zu plündern – vermutlich waren die Geräte aber schon während der Bombardierung beschädigt worden. Auf Befehl des US-amerikanischen Militärverwalters wurde die Bücherei ebenfalls vernichtet, da die Bücher Hakenkreuz-Stempel trugen. Der Gebäudeflügel mit der Robert-Mayer-Sternwarte hat inmitten einer Trümmerwüste die Zerstörung Heilbronns überstanden.
Nach dem Wiederaufbau des heutigen Robert-Mayer-Gymnasiums nach dem
Krieg stand die Sternwarte zuerst leer. In den Jahren zwischen 1945 und
1979 wurde sie daher nur sporadisch genutzt. Wohl mit dem Wiederaufbau
wurde auch der Anbau errichtet, der heute die Toilettenanlagen
beherbergt.
1952 schenkte Dr. phil. Ing. (VDI) Ernst Wecker rechtlich dem
Theodor-Heuss-Gymnasium Heilbronn, das damals im Mönchseeflügel des
Gebäudes untergebracht war, zur Aufstellung in der leeren Kuppel der
Robert-Mayer-Sternwarte und „für alle Heilbronner Schüler“ einen
Refraktor (60/680 mm) mit Uhrwerknachführung. Er befand sich bis 2010
im THG.
In diesem Jahr renovierte die Stadt erstmals die Sternwarte, für die
StR Schultheiss zuständig war.
Anfang der fünfziger Jahre halten die Herren Bühler und
Gerstenberger von der Schwäbischen Volkssternwarte Stuttgart mehrfach
Volkshochschulkurse in Heilbronn. Da das THG den von Dr. Wecker
gestifteten Refraktor mit in sein neues Gebäude an der Ecke Gymnsium-/
Karlstraße nahm, bat Dr. Wecker im Jahr 1957 Oberbürgermeister Paul
Meyle, für die Kuppel der Sternwarte einen Kosmos-E68-Refraktor zu
beschaffen. Um 1960 leitete der Gymnasiallehrer Bernd Prätor ein Jahr
lang eine schulische Astronomie-AG auf der Sternwarte. Die Sternwarte
ist neben dem Kosmos-Refraktor nun noch im Besitz zweier alter
Refraktoren, von denen einer wohl aus dem historischen Bestand stammt
(konstruiert zwischen 1820 und 1840). Der zweite Refraktor, ein
Zweizöller von ca. 1913, wurde um 1950 von Dr. Wecker gekauft.
Zwischen 1960 und 1979 lag die Sternwarte weitgehend brach.
Gelegentlich erhalten Schüler von OSTD Franz Speck Schlüssel, um
Beobachtungen mit den bescheidenen Fernrohren anstellen zu können.
Im Frühjahrsemester 1979 hielt Werner Baier an der VHS
Heilbronn einen gut besuchten Einführungskurs in die Astronomie. Er
besucht die Sternwarte dreimal mit einigen Teilnehmern seines Kurses. Zu
den Teilnehmern zählte auch Holger Sturm (damals Schüler der 10.
Klasse am Justinus-Kerner-Gymnasium).
Im März 1979 erhielt Holger Sturm von Direktor Speck den Schlüssel zur Sternwarte. In den folgenden Jahren trieb er den Wiederaufbau der Sternwarte voran.
Mit Holger Sturm, einem Schüler des JKG, begann der engagierte
Wiederaufbau der Sternwarte. Kurz nachdem er einen Schlüssel zu der
Sternwarte erhalten hatte, fand er durch Zufall ein Buch, in dem er eine
Abbildung und Beschreibung des Drehbaren Hohlglobus der Sternwarte fand
– der Verfasser war Professor Seitz, der die Sternwarte von 1929-38
geleitet hatte. Holger Sturm konnte Kontakt zu Professor Seitz
aufnehmen. Viel von unserem heutigen Wissen über Ausstattung,
Zielsetzung, Geschichte und Arbeit der alten Sternwarte stammt aus den
Recherchen von Holger Sturm und den Briefwechseln mit Professor Seitz.
Im Oktober 1979 nahm Holger Sturm auch Kontakt zu dem damaligen
Ersten Bürgermeister und späteren Oberbürgermeister Dr. Manfred
Weinmann auf. Damit gelang es ihm, das grundsätzliche Interesse der
Stadt Heilbronn an der Sternwarte wieder zu wecken. Gemeinsam mit dem
Physikprofessor Friedrich Rumold vom Seminar für
Gymnasiallehrerausbildung in Heilbronn und Herrn StD Grünenwald, dem
Leiter der physikalischen Sammlung im Mönchseegymnasium Heilbronn,
wurden Mittel für eine astronomische Zentralsammlung der Stadt
Heilbronn bereitgestellt, die im wesentlichen aus zwei C8-Teleskopen,
zwei Kameras und Literatur bestand. Da mit StR Karlheinz Klein zu dieser
Zeit auch wieder ein Physik- und Astronomie-Lehrer am RMG war, schien
die langfristige Nutzung der Sternwarte gesichert. Daher führte die
Stadt Heilbronn eine Renovierung der Sternwartengebäude durch.
Es war klar, dass der 68-mm-Kosmos-Refraktor, der damals als „Hauptgerät” in der Kuppel auf der Säule des weit größeren, zerstörten Zeiss-Refraktors stand, einen Nachfolger brauchte.
In der Folge von Gesprächen mit anderen Sternwarten
kristallisierte sich dann der Coudé-Refraktor (150/2250 mm) von Zeiss
in Jena (damals noch DDR) als anzustrebendes Fernrohr heraus. Prof.
Rumold und der Schulleiter des RMG, OStD Speck, stellten den Antrag an
die Stadt Heilbronn auf Bereitstellung der entsprechenden Mittel zum
Haushalt 1981.
Um die Stadt bei der Anschaffung zu entlasten – es ging
immerhin um fast 75 000 DM – wurde ein Stiftungsaufruf verfasst, der
zuerst eine Summe von 20 000 DM erbrachte. Im Rahmen des
Nachtragshaushalts 1982 wurden auf Anraten des Bürgermeisteramtes
schließlich die noch fehlenden Gelder vom Gemeinderat bewilligt, nachdem
klargestellt wurde, dass die Sternwarte
nicht „als Privatvergnügen für einige Schüler” und für „Astrologie
und derartige Dinge” genutzt werden sollte, wie der damalige
Kulturdezernent Pfister zuerst unterstellte.
Dr. Weinmann konnte schließlich im Einvernehmen mit
Ministerpräsident Dr. Lothar Späth die Südwestdeutschen Salzwerke AG
dafür gewinnen, anlässlich ihres hundertjährigen Jubiläums 1983 den
städtischen Anteil ganz zu übernehmen, sodass das neue Teleskop
vollständig über Spenden finanziert werden konnte. Die feierliche
Übergabe erfolgte am 6. September 1983.
Da Holger Sturm ab 1982 in Göttingen studierte, wurde die Sternwarte durch StR Klein sowie die Schüler Matthias Albrecht und Michael Scholz betreut. Seit dem Frühjahr 1984 findet eine schulische Astronomie-AG des RMG unter der Leitung von StR Klein statt. 1984 fanden auch die ersten öffentlichen Führungen statt, vorerst nur mittwochs während der Schulzeit bei klarem Himmel. Die Besucherzahlen waren jedoch sehr gering. Seit 1984 erscheint daher ein Veranstaltungsprogramm, das wesentlich zur Bekanntheit der Sternwarte beiträgt. Trotzdem war die Nutzung der Sternwarte durch die wenigen Mitarbeiter unzureichend.
1985 fanden die ersten Ferienführungen statt, die vor allem
von Holger Sturm durchgeführt wurden und sehr erfolgreich waren. Mit
leicht verändertem Konzept werden sie bis heute durchgeführt.
Im September 1985 nahmen mit Michael Vogel und Peter Paul
Maurer zwei Amateurastronomen Kontakt mit Holger Sturm auf. Sie
besichtigten die Sternwarte und kritisierten anschließend die Arbeit der
Sternwarte und ihre unverhältnismäßige Ausstattung. Das Ergebnis war
eine fruchtbare Zusammenarbeit mit vielen Diskussionen über eine
bessere Nutzung der Sternwarte. 1985 stieß auch Ulrich Arnold als
Mitarbeiter dazu. Im folgenden konnten mittwochs und freitags Führungen
angeboten werden, auch fanden erstmals Kurse an der Volkshochschule
statt.
Um mehr Mitarbeiter zu gewinnen, kam 1986 der Gedanke auf, einen Trägerverein zu gründen. Er sollte die Robert-Mayer-Sternwarte eigenständig für die Stadt Heilbronn betreiben und sowohl für die Schulen als auch für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Die Gründung des Vereins Robert-Mayer-Volks- und Schulsternwarte Heilbronn e.V. erfolgte im Februar 1987 unter dem Vorsitz von Holger Sturm.